Der Taurus und der Torso
Eine Glosse über das politische Phantom Friedrich Merz
Es gibt Tage, an denen die Sprache kapituliert. Nicht aus Mangel, sondern aus Übermaß: zu viele Wendungen, zu wenig Richtung.
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Ein Mann sagt, er wolle liefern, und liefert prompt: eine Rolle rückwärts. Er sagt, man solle nicht diskutieren – und eröffnet den Diskurs über die Diskussionsverweigerung. Er will sanktionieren und dann wieder: nicht.
Ein Politiker, der seine Haltung im Stakkato der Schlagzeilen tanzt, als wären sie Pflastersteine in einem Gummizimmer.
Friedrich Merz ist der Taurus der deutschen Politik – ein Geschoss mit langer Reichweite, aber unklarer Zielkoordinaten.
Mal will er Raketen, mal Ruhe. Mal Russland die Stirn bieten, mal den Koalitionspartnern den Gefallen. Was davon ist Strategie? Was ist Taktik? Und was bloß das Echo der letzten Umfrage?
Die deutsche Öffentlichkeit, hungrig nach Klarheit, wird mit rhetorischer Polenta abgespeist: weich, formbar, nahrhaft nur für jene, die am Kochtopf der eigenen Karriere rühren. Wo Haltung gefragt wäre, wird Haltung simuliert. Und wenn sie nicht mehr gebraucht wird – rückdatiert.
Dabei lebt Demokratie nicht vom „Vielleicht“, sondern vom „Trotzdem“. Doch in dieser Politik ist das „Vielleicht“ zum Modus Operandi geworden. Es ist der Zustand, in dem alles möglich bleibt – außer Verantwortung. Die Politik wird zum sprachlichen Perpetuum Mobile:
eine Maschine, die sich um sich selbst dreht und dabei tut, als bewege sie die Welt.
Und wehe dem, der fragt, wohin. Wer nach Richtung verlangt, stört den Betrieb. Öffentliche Diskussion? Gefährlich. Haltung? Polarisierend. Klare Worte? Populistisch.
Nein, der neue Konservatismus will keinen Lärm mehr - nicht in Europa, nicht im Parlament, und erst recht nicht im eigenen Satzbau.
Es ist diese moralische Verwahrlosung im Maßanzug, die so gefährlich ist. Nicht, weil sie laut schreit, sondern weil sie flüstert:
„Das kann man doch so nicht sagen.“Und genau deshalb muss man es sagen:Eine Politik, die nicht bereit ist,ihre Linie zu vertreten,hat keine Linie-sie ist eine Parallele zur Macht,ohne sie je zu schneiden
Wer nichts z sagen hat,soll schweigen.Wer nichts entscheiden will,soll sich nicht wählen lassen
Doch in Zeiten wie diesen regiert der Torso: halb Meinung, halb Dementi. Man erkennt ihn daran, dass er ständig in Talkshows sitzt und nie dort angekommen ist, wo Verantwortung beginnt.
May 14, 2025 06:01Am Ende bleibt uns nur das Staunen über die politische Verwandlungskunst eines Mannes, der alles verspricht, wenn er nichts versprechen muss, und nichts hält, wenn er etwas halten sollte. Der Taurus bleibt im Schrank, die Sanktionen in der Warteschleife, und die Debatte ein Schatten ihrer selbst.
Vielleicht ist das die eigentliche Pointe: Die politische Mitte hat sich so lange gedehnt, dass sie nun ausfranst. Und wer in ihr tanzt, verliert irgendwann nicht nur den Takt, sondern den Boden.
Ende